Eine Pause gönnen sich die Partner des Thüringer Wachstumskerns fo+ [freeform optics plus] zur Halbzeit nicht. Zuviel haben sie noch auf dem Programm. Aber Zeit für eine positive Bilanz haben sich die acht Unternehmen und zwei Forschungseinrichtungen genommen. Sie präsentierten ihre Projektergebnisse Anfang September anlässlich der internationalen SPIE Konferenz Optical Systems Design in Jena rund 400 Experten aus aller Welt in zahlreichen Vorträgen und auf einem gut besuchten Stand in der Begleitausstellung.
Die Bündnispartner sind auf dem Weg zur Realisierung kompakter und leistungsfähiger optischer Instrumente auf der Basis von Freiformoptiken schon ein gutes Stück vorangekommen. Mit den optischen Freiformflächen lassen sich Funktionen der Strahlformung realisieren, die mit klassischen Linsen gar nicht oder nur in aufwendigen Kombinationen erreicht werden können.
„Die Freiformoptik bietet enormes Potential“, sagt Dr. Stefan Risse, der am Jenaer Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF das Teilprojekt betreut. Für eine ganze Reihe von Anwendungen von der miniaturisierten Kamera bis zum astronomischen Teleskop bieten Freiformoptiken Vorteile. „Wir denken dabei immer in zwei Richtungen“, so Risse. „Wir wollen zum einen die Eigenschaften des Systems verbessern, zum anderen Komponenten einsparen.“
Entsprechend der Vielzahl der Anwendungen werden in dem vom BMBF im Rahmen des Programms „Unternehmen Region“ geförderten Wachstumskern mehrere Demonstratoren entwickelt. Als Beispiel für refraktive Anwendungen entsteht eine mit Freiformoptiken arbeitende Infrarot-Kamera. „Die Idee war ursprünglich, eine kleine Kamera für Feuerwehrleute zu entwickeln, um Brandherde aufzuspüren“, erläutert Michael Degel, der beim größten Industriepartner des Konsortiums, der JENOPTIK Optical Systems GmbH, Teilprojektleiter für fo+ ist. Schnell war klar, dass das entwickelte Design auch für andere Anwendungen, etwa für die Nachtsicht in autonomen Fahrzeugen oder in der Lithographie für den Halbleiterausrüstungsmarkt, verwendet werden kann. „Es ist bei einem so großen Konsortium, das über so einen langen Zeitraum zusammenarbeitet, sehr wichtig, sich regelmäßig auszutauschen und die Strategie und die Verwertungsausrichtung immer wieder anzupassen“, betont Degel.
Herkömmliche Infrarot-Kameras arbeiten im Objektiv mit drei Linsen, was aufwendige Beschichtungen und Justagen erfordert. Herzstück der neuen IR-Kamera dagegen ist ein Monolith, also eine kompakte Freiform. „Wir können damit um den Faktor 2 bis 3 kleinere Geräte bauen“, sagt Sven Kiontke, Gründer und Geschäftsführer der Jenaer asphericon GmbH, die den weltweit ersten monolithischen Strahlaufweiter bereits auf internationalen Messen präsentiert hat. Kiontke schätzt besonders, dass sich die beteiligten Firmen über die Zusammenarbeit bei fo+ wirklich näher gekommen sind: „Unternehmen aller Branchen und jeder Größe sitzen an einem Tisch.“ Erst durch diese Mischung werde es möglich, den hohen Anspruch des Wachstumskerns zu erfüllen, nämlich die gesamte Technologie- und Wertschöpfungskette abzubilden. Stefan Risse beschreibt es so: „Das erste Jahr war von der Theorie geprägt, von der mathematischen Beschreibung der Optiken und von den Simulationen. Wir sind nun im zweiten Jahr, in dem die experimentelle Überprüfung der Komponenten im Vordergrund steht. Im dritten Jahr machen wir den Schritt zum System.“ Wichtig dabei ist, dass die Erfahrungen auf Komponenten- und Systemebene immer wieder zu den Theoretikern zurückfließen, um das Design weiter zu verbessern. „Noch gibt es hier keine einfachen Kochrezepte“, betont Prof. Dr. Herbert Gross vom Institut für Angewandte Physik der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität, dem zweiten akademischen Partner von fo+. „Da es noch wenige Erfahrungen mit Freiformoptiken gibt, passen wir die theoretische Forschung sehr eng an die praktische Realisierung an.“
Die fehlende Symmetrie fordert die Wissenschaftler im Design und die Ingenieure in der Fertigung in besonderem Maße heraus. Um in Zukunft über ausreichend qualifiziertes Personal zu verfügen, haben die Partner des Wachstumskerns im Rahmen von fo+ auch ein Bildungsprojekt initialisiert, in dem die erforschten Inhalte und entwickelten Technologien zukünftig in Vorlesungen und Schulungen vermittelt werden sollen. „Damit schaffen wir eine Nachhaltigkeit, von der die Region noch lange profitieren wird“, erläutert Gross, der für das Bildungsprojekt verantwortlich zeichnet. Die Freiformoptik wird in Zukunft Lernstoff für die Studierenden der Jenaer Hochschulen sein und auch in die Weiterbildungsangebote der Firmen einfließen.
Darin, dass der Wachstumskern den Standort voranbringt, sind sich alle Partner einig. „Wir adressieren eine Breite an Themen, die weltweit einmalig ist“, betont Stefan Risse. Und auch für Herbert Gross ist klar: Nach drei Jahren fo+ wird Jena neben anderen Freiformoptik-Zentren in den USA, Großbritannien oder Asien in der ersten Liga spielen.
Die Bündnispartner
Im regionalen Wachstumskern ƒo⁺ arbeiten acht Unternehmen und zwei Forschungseinrichtungen der Thüringer Photonikbranche bei der Entwicklung und Vermarktung innovativer freiformoptischer Systeme zusammen.
asphericon GmbH | Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik | Fresnel Optics GmbH | Institut für Angewandte Physik der Friedrich-Schiller-Universität Jena | Jena-Optronik GmbH | JENOPTIK AG | Optics Balzers Jena GmbH | Photonic Sense GmbH | POG Präzisionsoptik Gera GmbH | VITRON Spezialwerkstoffe GmbH
Weitere Infromationen zum Projekt finden Sie auf unter www.fo-plus.de